Monday, 11. June 2007
Un pazzesco! Ganz Napoli war gestern aus dem Häuschen, als um gegen 17 Uhr feststand, dass gli azzurri in die Serie A aufgestiegen sind. Nach sechs Jahren, zwischenzeitlich sogar in der dritten Liga, der Serie C, haben sie es endlich wieder zurück in die Königsliga des italienischen Fußballs geschafft. Dies erstaunt umso mehr, da der Verein vor drei Jahren noch pleite war.
Bis zum letzten Spieltag gestern war es noch super spannend. Napoli benötigte mindestens ein Unentschieden für einen sicheren Aufstieg, was gegen den Gegner Genoa gar nicht so selbstverständlich war. Daher waren die Straßen Neapels gestern nach dem Anpfiff um 15 Uhr fast wie ausgestorben. Die Geschäftsleute hatten ihre Läden, Bars und Restaurants überwiegend ab Nachmittag geschlossen. Viele Neapolitaner zogen sich in ihre Häuser zurück, um dort am heimischen Fernseher die Partie zu verfolgen. Einige andere hatten sich vor den wenigen geöffneten Bars um den Fernseher versammelt. Wiederum andere waren ins Stadion “San Paolo” gefahren, wo für die Fans eine Großleinwand aufgebaut war.Schon während der Partie wurde wild geknallt, zwei Mal hörte ich laute Freudenschreie, so dass ich dachte, Napoli sei in Führung gegangen. Dabei hieß es am Ende 0:0, was ja für Napoli ausreichte. Übrigens auch für Genoa, die mit ein wenig Glück als Dritter ohne Playoff aufsteigen.
Mit dem Abpfiff war es mit der Ruhe in der Stadt vorbei. Laute Knaller schallten durch die Gassen, die mich regelrecht zusammenschrecken ließen. Nach und nach schwangen sich die Leute auf ihre Roller, setzten sich in und auf ihre Autos, bevölkerten hupend und trötend die Straßen. Zu dritt, zu viert, sogar zu fünft (dann allerdings mit Kindern) auf den Rollern war keine Seltenheit. Die Stadt geriet in einen Freudentaumel und versank in den Farben hellblau und weiß: riesige Fahnen wurden geschwenkt, geschminkte Gesichter, blaue Perrücken, blau angemalte Autos, Maskottchen auf den Autos.
Hier sind einige Eindrücke:
(mehr Fotos sieht man bei flickr, wenn man auf eines der Fotos klickt).
Ich habe selten so viele glückliche, freudestrahlende, ausgelassene Menschen auf einem Haufen gesehen. Diese Freude war so ansteckend, dass ich den Fans begeistert zurückwinkte!
Die Roller- und Autocorsos schienen gar nicht abzureißen, sondern sogar immer mehr zu werden. Wer zum Flughafen wollte (wie auch mein Besuch aus Deutschland) war gut beraten, ab dem Bahnhof ein Taxi zu nehmen, da auch der Flughafenbus nicht mehr durch die blockierten Straßen kam. Die Party ging für viele noch bis tief in die Nacht weiter. Man hörte und sah unzählige Klein-Feuerwerke. Selbst um 02.30 Uhr noch! Unglaublich! Solche passionierten Fans wie Napoli hat wohl kaum ein anderer Verein.
Nachtrag: Wer auch mal hören will, was gestern auf Neapels Straßen los war, kann sich hier noch zwei Kurzfilme anschauen/-hören, die ich mit meiner Kleinbildkamera gemacht habe:
Piazza Garibaldi
Piazza Bovio
Thursday, 7. June 2007
Nach einem guten Monat in Neapel fühle ich mich tatsächlich etwas heimisch hier. Das verdanke ich zum großen Teil den Neapolitanern. Diejenigen, die ich bisher kennengelernt habe, sind nämlich extrem freundlich, fast schon familiär.
Die Geschäftsleute, zum Beispiel. Natürlich wollen sie Geschäfte machen, so dass es dazu gehört, freundlich zu sein. Und natürlich komme ich leicht mit ihnen ins Gespräch, da ich mit meinem Akzent auffalle, sobald ich drauflos plapper. Dann kommt nämlich immer schnell die Frage: “Di dove sei?”. Wenn ich dann preisgebe, dass ich Deutsche bin, schließen sich fast immer weitere Fragen an: Was ich denn hier mache, wie lange ich schon hier bin, wie lange ich bleibe, wie mir die Stadt gefällt usw. Zum Glück geht das Gespräch dann immer auf Italienisch weiter – was vermutlich daran liegt, dass die Geschäftsleute hier in der Regel (wenn überhaupt) nur sehr schlecht Englisch sprechen können.
Man wird übrigens in der Regel von Anfang an geduzt, was die Distanz und Förmlichkeit sofort angenehm verringert.
Die wohl markanteste Eigenschaft der Neapolitaner ist ihre Neugierde. Da die Geschäfte hier überwiegend sehr klein sind, und da die Napolitaner sehr gesellig sind, stehen die Geschäftsleute (sofern keine Kundschaft da ist) immer draußen auf der Straße, beobachten das Treiben und halten hier und da einen kleinen Plausch. Das ist sehr angenehm, denn so kenne ich inzwischen einige Leute in meiner Nachbarschaft sowie in der Straße, in der sich meine Kanzlei befindet.
Gleich nach meinem ersten Arbeitstag in der Kanzlei beispielsweise habe ich mich in die Hände einer napoletanischen parrucchiera (Friseurin) begeben. Die schon etwas ältere Dame, Elisa, und ihre junge Angestellte, Anna, waren hoch erfreut, eine deutsche Kundin zu haben und fragten mich neugierig aus.
Ein anderes Mal habe ich mich in einem Laden umgeschaut, der Limonè heißt und alle möglichen Produkte aus Zitronen und Limetten herstellt (via dei Tribunali). Der Inhaber zeigte mir stolz, wie er den Limoncello, einem für diese Gegend typischen digestivo, herstellt. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, mir eine kleine Geschichtsstunde über den griechischen Ursprung Neapels zu geben.
Die Spielzeugwaren-Verkäuferin, bei der ich letztens anlässlich der Geburtstagsfeier für die Kinder meines Chefs Geschenke gekauft habe, meinte: “Du bist doch bei dem Anwalt. Ich mach dir einen guten Preis.” (Der Rechtsanwalt Scognamiglio heißt hier in der Straße übrigens nur avvocato. Dann weiß schon jeder Bescheid.)
Ein Blumenhändler in meiner Nachbarschaft diskutierte mit mir über die Qualität der Rosen aus Deutschland. Mein fast schon Stamm-Gemüsehändler gab mir letztens noch einen Bund Basilikum dazu. Die Kassiererin der Kaffeebar Di Lorenzo, bei der unser Studio Legale den caffè bestellt, winkt mir manchmal freudig zu.
Und so könnte ich noch viele weitere Beispiele nennen. Obwohl Neapel eine Großstadt ist, kommt die Stadt mir manchmal vor wie ein großes Dorf.
Saturday, 26. May 2007
Ich habe den Eindruck, dass die meisten Neapoletaner bis in die späten Abendstunden sehr aktiv sind. Auch nachts noch sausen junge Italiener mit ihren Scootern, zum Teil hupend, zum Teil grölend durch die Straßen der Altstadt.
Da ich selbst eine Nachteule bin, macht mir das nichts aus. Wenn ich in einer bei Italienern beliebten Pizzeria essen gehen möchte, kommt mir das sogar sehr entgegen. Die Leute in Neapel gehen nämlich erst gegen 21 Uhr und später essen. Würde ich auch um diese Uhrzeit eine gute Pizza haben wollen, müsste ich Schlange stehen, worauf ich nicht besonders scharf bin. Geht man jedoch antizyklisch um 19 oder 20 Uhr essen, bekommt man ohne Probleme einen Platz.
Die Neapolitaner hingegen sind erstaunlich geduldige Schlangensteher und warten ohne Probleme 30 Minuten vor einer Pizzeria. Vor der Pizzeria Decumana, ganz in meiner Nähe, stehen sogar einige Stühle im Halbkreis. Das finde ich besonders nett, denn dabei kommt man leicht ins Gespräch mit anderen… und das Quatschen lieben die Italiener ja ganz besonders.
Gestern Abend hatte ich ein weiteres Aha-Erlebnis. Auf der Piazza Dante fand ein kostenloses Rock-Konzert statt, welches von der CISL, einem italienischen Gewerkschaftsbund, organisiert wurde. Ich war erst um ca. 22 Uhr dort, als gerade die zweite von drei Bands anfing zu spielen: Stadio. Die sind – glaube ich – in Italien auch bekannt und waren gar nicht übel. Zu meiner Überraschung fing kurz vor Mitternacht dann erst die dritte Band (Simone Cristicchi) an. Ich weiß zwar nicht, wie lange die noch gespielt haben, aber bis 1 Uhr hat das Konzert bestimmt noch gedauert. In Deutschland wäre bei einem Konzert dieser Lautstärke und mitten in der Stadt spätestens um 23 Uhr Schicht im Schacht – vor allem wegen der Anwohner. Die Neapolitaner scheint der Lärm aber nicht zu stören… Nachteulen eben.
Monday, 21. May 2007
Stadion San Paolo, Neapel. Samstag Nachmittag. Die Stimmung im und vor dem Stadion ist kräftig aufgeheizt, denn auch in Italien geht die Fußballsaison allmählich dem Ende entgegen. Der SSC Napoli ist derzeit auf Platz 3 der Serie B, der 2. Liga. Vom Zweitplatzierten Genua trennen ihn nur 2 Punkte. Da nur die ersten beiden Teams mit Sicherheit in die Serie A aufsteigen, zählt momentan jeder Punkt. Die Plätze 3 bis 6 spielen am Ende im Play-off um den Aufstieg, es sei denn Platz 3 hat mehr als 10 Punkte Vorsprung – dann steigt auch Platz 3 ohne Qualifikationsspiel auf. Bisher beträgt der Abstand zum Verfolger Rimini jedoch nur 9 Punkte.
Die wohl älteste tifosa des SSC Napoli ist bei jedem Heimspiel der azzurri, der Blauen, dabei und feuert ihre Jungs an:
Obwohl ich mich nicht übermäßig für Fußball interessiere, habe auch ich vergangenen Samstag kräftig mitgefiebert. In Italien bleibt einem ja auch fast nichts anderes übrig. Als mein Chef, der eine Jahreskarte fürs Stadion hat, mir seine Karte für das Spiel gegen Modena angeboten hat, habe ich mich natürlich sehr gefreut. Ein Spiel im Stadion mitzuerleben hat immer etwas ganz Besonderes…zumal mein letzter Stadionbesuch schon viele Jahre zurückliegt.
Die ca. 50.000 Zuschauer machten am Samstag einen ohrenbetäubenden Lärm und erstklassige Stimmung. Die Spieler boten hingegen eher zweitklassigen Fußball. Zumindest soweit ich das beurteilen kann. Napoli ging schon sehr frühzeitig in Führung. Das Stadion tobte. Bei dem Anschlusstreffer von Modena kurz vor der Halbzeit herrschte hingegen Stille. Ich dachte zunächst, dass das Tor nicht zählt. Aber es waren ja nur vereinzelte Fans aus Modena angereist. Kein Wunder, dass man die nicht hörte. Die waren übrigens durch ein großes, rund um ihre Ränge gespanntes Netz abgeschirmt. Wohl um zu vermeiden, dass sie Gegenstände auf das Spielfeld werfen. Fand ich ziemlich diskriminierend.
In der zweiten Halbzeit wurden sowohl Fans als auch Spieler zunehmend nervöser. Napoli verschoss dann auch noch zur Enttäuschung aller einen Elfmeter …
Am Ende hieß es dann leider nur Napoli – Modena 1:1. Jetzt bleiben nur noch drei Spiele. Es bleibt also spannend… Forza ragazzi!
Wednesday, 9. May 2007
Genau wie all die anderen Neapolitaner bin ich nun stolze Besitzerin eines Wäschetrockners für mein Balkongeländer:
Die allzu bekannten Fotos von engen neapolitanischen Gassen, in denen die Wäsche draußen vor dem Fenster – oder gar zwischen zwei gegenüberliegenden Fenstern – zum Trocknen hängt, sind nicht nur Klischee, sondern Wirklichkeit. Und zwar nicht nur im Spanischen Viertel, sondern überall, wo Platzmangel herrscht… und das ist in Neapels Innenstadt fast überall!
Man sollte es nicht meinen: Das Geländer vor der Fenstertür in meinem Zimmer ist stabiler als es aussieht. Zu Beginn hatte ich extremes Unwohlsein, wenn ich zu nah am rostigen Gitter stand. Auch bei meinem ersten Wäscheaufhängen war mir ein wenig mulmig, denn immerhin würde ich zwei Stockwerke tief auf die Terrasse eines anderen Hausbewohners fallen. Ein zufriedenes Grinsen hatte ich aber dennoch auf den Lippen, denn mit jedem Tag steigt das Gefühl, ein Teil der Stadt zu sein.
Wednesday, 25. April 2007
Natürlich gehört zu Italien auch das Surren der Vespas. Ohne vorher ein wenig Übung zu haben, würde ich mir niemals zutrauen, in Neapel eine Vespa auszuleihen.
Inzwischen sind fast alle Bedenken beseitigt. Denn gestern hatte ich zwei Fahrstunden bei meinem Bruder. Da ich anfangs zu ängstlich war, im Straßenverkehr zu fahren, habe ich meine ersten Rollversuche auf sicherem Terrain gemacht. Kurven-Fahrtraining im ruhigen Wohngebiet, und dann ging’s ab in die Kölner Südstadt. Zwischenstopp im Fonda, um einen Espresso zu trinken.
Am Ende machte es mir auch nichts mehr aus, über Verkehrsknotenpunkte wie den Barbarossaplatz zu fahren. Mein Bruder zuckte zwar manchmal hinter mir leicht zusammen, war aber ein sehr geduldiger Fahrlehrer. Sei un tesoro, Pippo! Nun bin ich für Neapel gewappnet!