Nach einem guten Monat in Neapel fühle ich mich tatsächlich etwas heimisch hier. Das verdanke ich zum großen Teil den Neapolitanern. Diejenigen, die ich bisher kennengelernt habe, sind nämlich extrem freundlich, fast schon familiär.
Die Geschäftsleute, zum Beispiel. Natürlich wollen sie Geschäfte machen, so dass es dazu gehört, freundlich zu sein. Und natürlich komme ich leicht mit ihnen ins Gespräch, da ich mit meinem Akzent auffalle, sobald ich drauflos plapper. Dann kommt nämlich immer schnell die Frage: “Di dove sei?”. Wenn ich dann preisgebe, dass ich Deutsche bin, schließen sich fast immer weitere Fragen an: Was ich denn hier mache, wie lange ich schon hier bin, wie lange ich bleibe, wie mir die Stadt gefällt usw. Zum Glück geht das Gespräch dann immer auf Italienisch weiter – was vermutlich daran liegt, dass die Geschäftsleute hier in der Regel (wenn überhaupt) nur sehr schlecht Englisch sprechen können.
Man wird übrigens in der Regel von Anfang an geduzt, was die Distanz und Förmlichkeit sofort angenehm verringert.
Die wohl markanteste Eigenschaft der Neapolitaner ist ihre Neugierde. Da die Geschäfte hier überwiegend sehr klein sind, und da die Napolitaner sehr gesellig sind, stehen die Geschäftsleute (sofern keine Kundschaft da ist) immer draußen auf der Straße, beobachten das Treiben und halten hier und da einen kleinen Plausch. Das ist sehr angenehm, denn so kenne ich inzwischen einige Leute in meiner Nachbarschaft sowie in der Straße, in der sich meine Kanzlei befindet.
Gleich nach meinem ersten Arbeitstag in der Kanzlei beispielsweise habe ich mich in die Hände einer napoletanischen parrucchiera (Friseurin) begeben. Die schon etwas ältere Dame, Elisa, und ihre junge Angestellte, Anna, waren hoch erfreut, eine deutsche Kundin zu haben und fragten mich neugierig aus.
Ein anderes Mal habe ich mich in einem Laden umgeschaut, der Limonè heißt und alle möglichen Produkte aus Zitronen und Limetten herstellt (via dei Tribunali). Der Inhaber zeigte mir stolz, wie er den Limoncello, einem für diese Gegend typischen digestivo, herstellt. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, mir eine kleine Geschichtsstunde über den griechischen Ursprung Neapels zu geben.
Die Spielzeugwaren-Verkäuferin, bei der ich letztens anlässlich der Geburtstagsfeier für die Kinder meines Chefs Geschenke gekauft habe, meinte: “Du bist doch bei dem Anwalt. Ich mach dir einen guten Preis.” (Der Rechtsanwalt Scognamiglio heißt hier in der Straße übrigens nur avvocato. Dann weiß schon jeder Bescheid.)
Ein Blumenhändler in meiner Nachbarschaft diskutierte mit mir über die Qualität der Rosen aus Deutschland. Mein fast schon Stamm-Gemüsehändler gab mir letztens noch einen Bund Basilikum dazu. Die Kassiererin der Kaffeebar Di Lorenzo, bei der unser Studio Legale den caffè bestellt, winkt mir manchmal freudig zu.
Und so könnte ich noch viele weitere Beispiele nennen. Obwohl Neapel eine Großstadt ist, kommt die Stadt mir manchmal vor wie ein großes Dorf.